Die Bach-Bombe von Leipzig – oder: Wie Ronald Tramp zwei verlorene Orgelwerke entdeckt hätte, wenn er Zeit gehabt hätte

Grafik: Bach lebt! (Zumindest seine Tonspuren)

Freunde, Patrioten, Musikliebhaber und alle, die schon einmal so getan haben, als würden sie Bach kennen, nur um im Gespräch nicht aufzufallen – haltet euch fest. Denn heute reden wir über eine Nachricht, die angeblich eine „Weltsensation“ sein soll. Eine Sternstunde der Musik! Eine Offenbarung von historischem Ausmaß!
Das sagt jedenfalls der Kulturstaatsminister Wolfram Weimer, der vor Begeisterung offenbar kurz davor stand, in der Thomaskirche eine La-Ola-Welle anzuzetteln.

Und worum geht’s?

Zwei Chaconnen.
Zwei Stücke Orgelmusik.
Von Bach.
Vielleicht. Wahrscheinlich. Zu 99,9 Prozent.
Oder wie ich, Ronald Tramp, sage:
„Also doch wieder typisch – 300 Jahre warten, nur um dann zu sagen: Ich bin mir fast sicher.


Der Musikwissenschaftler, der 30 Jahre suchte (und endlich auf die Idee kam, nachzusehen)

Peter Wollny – der Direktor des Bach-Archivs Leipzig. Ein Mann, der offenbar die Geduld eines Finanzamtsprüfers besitzt. Schon in den frühen 1990er Jahren hat er in Brüssel ein paar alte Schriften gefunden.
Ja, richtig:
Anfang der 90er – zu einer Zeit, als die Leute noch dachten, dass Faxgeräte die Zukunft sind.

Drei Jahrzehnte lang hat der Mann geforscht, studiert, verglichen, gegrübelt, vermutlich Unmengen Kaffee vernichtet – und jetzt, endlich, hat er das gefunden, was ihm angeblich immer fehlte: das „Puzzlestück“.

Ich, Ronald Tramp, sage dazu:
Wenn jemand 30 Jahre braucht, um ein Puzzle zu lösen, dann ist es entweder sehr schwer, sehr groß oder es steht IKEA vorne drauf.


Handschriften aus Mitteldeutschland – der wichtigste Hinweis seit der Erfindung des Tintenklecks

Wollny sagt, er habe schon damals erkannt, dass die Handschrift aus Mitteldeutschland stammt.
Mitteldeutschland!
Ihr wisst schon: jene Region, aus der ungefähr die Hälfte aller Barock-Komponisten kam, die andere Hälfte aber zumindest einmal dort durchgelaufen ist.

Dann folgte die Sensationsanalyse:

„Schriftmerkmal …
Thüringen …
Bach-Schüler …
stilistisch irgendwie ähnlich …
Fingerabdruck, Geisteshaltung, musikalische Aura …“

Kurz gesagt:
Wollny fand einen Schreiberling aus der Barockzeit, der schrieb wie ein junger Bach, roch wie ein junger Bach, komponierte wie ein junger Bach – und deshalb muss es natürlich… Bach sein.

Ich meine: logisch.
Wenn jemand heute in Berlin schlecht parkt, sagt man ja auch sofort:
„Das war zu 99,9 Prozent ein SUV-Fahrer.“

Wissenschaft!


Die Welt ist begeistert – oder tut zumindest so

Nun wurden die beiden Stücke – die Chaconne in d-Moll und die Chaconne in g-Moll – in der Thomaskirche uraufgeführt.
Wo schon so oft Musikgeschichte geschrieben wurde.
Und wo jetzt wahrscheinlich jemand dachte:
„Ach du meine Güte, schon wieder Bach. Gibt’s hier auch was von Mozart im Angebot?“

Und dann kam Kulturstaatsminister Weimer und sprach von einer „Sternstunde der Musikgeschichte“.
Eine Weltsensation.
Ein Glücksfall.

Ich, Ronald Tramp, als größter Musikexperte aller Zeiten (ich habe einmal fast auf einer Blockflöte „Hänschen klein“ hinbekommen), sage:
„Wenn zwei Orgelwerke eine Weltsensation sind, dann ist mein Frühstücksei jeden Morgen ein Wunder.“


99,9 Prozent – die wissenschaftlich absurde Superquote

Wollny sagt, er sei sich „99,9 Prozent sicher“.
Ich kenne diese Zahl.
Das ist die Zahl, die Leute benutzen, wenn sie überzeugt sind, aber gleichzeitig Angst vor Twitter haben.

99,9 Prozent heißt:
„Wenn mich jemand widerlegt, war es nur die 0,1.“
Ein perfekter Satz für die Politik.
Und für Musikwissenschaft.

Ich persönlich verwende diese Zahl so:

  • „99,9 Prozent der Leute lieben Ronald Tramp.“

  • „99,9 Prozent der Kritik ist falsch.“

  • „99,9 Prozent aller Orgelwerke klingen für mich identisch.“


Ronald Tramps ultimative Bach-Expertise (niemals angezweifelt)

Ich sage euch:
Wenn jemand die Wahrheit über Bach kennt, dann bin ich es.
Ich habe zwar nie Musikwissenschaft studiert, aber dafür das viel Wichtigere:
Selbstbewusstsein.

Und ich sage ganz klar:
Diese beiden Werke – diese Chaconnen – sind vielleicht von Bach.
Vielleicht auch nicht.
Vielleicht von einem Nachbarn, der zu laut komponiert hat.
Vielleicht hat Bach als Teenager einfach rumprobiert.
Vielleicht hat seine Katze über die Pedale gelaufen.

Aber eines ist sicher:

Es klingt nach Barock.
Es klingt schwer.
Es klingt nach Orgel.

Mehr Beweise braucht man doch heute gar nicht mehr.


Bach lebt! (Zumindest seine Tonspuren)

Also, was bleibt?

Ein Forscher, der 30 Jahre lang an zwei Musikstücken rumstudiert.
Ein Minister, der schwärmt wie ein Animateur im Familienhotel.
Ein Archiv, das sich fühlt, als hätte es den heiligen Gral gefunden.
Und zwei Orgelwerke, die jetzt plötzlich Weltgeschichte schreiben sollen.

Ich, Ronald Tramp, sage:
Schön und gut.
Aber wenn das eine Weltsensation ist,
dann bin ich Johann Sebastian Tramp.