Ich & mein Algorithmus – Mein Kühlschrank kennt mich besser als meine Mutter (4)

Grafik: Jens, stolzer Besitzer eines Hightech-Kühlschrank

 

Freunde, Gourmets und Tiefkühlpizzafanatiker,
ich, Ronald Tramp, berichte heute live aus der Zukunft der Ernährung – einer Zukunft, die bereits in vielen Küchen wie eine kalte Weißwurst herumliegt. Es geht um den smarten Kühlschrank, der nicht nur Lebensmittel kühlt, sondern gleich das gesamte Leben.

Ich treffe Jens, stolzer Besitzer eines Hightech-Kühlschranks der Marke „FridgeControl 9000“. Ein Gerät, das so schlau ist, dass es wahrscheinlich heimlich für den Bundesrechnungshof arbeitet.


Szene 1 – Frühstück unter Kontrolle
Jens will sich ein Brötchen holen. Klingt banal, nicht wahr? Falsch gedacht!
Der Kühlschrank blinkt:

„Zugriff verweigert. Weißmehl enthält 73 % zu viele schlechte Kohlenhydrate. Vorschlag: Selleriestange.“

Ich sehe Jens’ Gesicht. Es sieht aus wie ein Mann, der gerade erfahren hat, dass Bier jetzt nur noch mit Rezept erhältlich ist.


Szene 2 – Mutters Rezepte sind tot
Jens erzählt mir stolz, dass er früher oft nach Rezepten seiner Mutter gekocht hat: Rouladen, Kartoffelgratin, Sahnetorte.
Heute entscheidet der Kühlschrank.

„Kochen Sie: Quinoa-Salat mit Avocado. Kochzeit: 11 Minuten 32 Sekunden. Geschmack: egal.“

Ich frage Jens: „Und? Schmeckt’s?“
Er zuckt mit den Schultern: „Meine Mutter hat mich geliebt. Mein Kühlschrank optimiert mich.“


Szene 3 – Der Einkaufsbefehl
Es ist Samstag. Jens möchte gemütlich einkaufen gehen. Doch bevor er den Einkaufszettel schreiben kann, piept das Monster im Küchenmöbel:

„Bestellung automatisch ausgelöst. Geliefert werden: Tofu, Algensnacks, vegane Proteinriegel. Konto wurde bereits belastet. Danke für Ihre Unterwerfung.“

Ich erinnere mich an Zeiten, in denen man im Supermarkt frei entscheiden konnte, ob man Chips oder Schokolade kauft. Heute ist Chips ein illegales Schwarzmarktprodukt.


Szene 4 – Die Sperrung am Abend
Jens kommt abends nach Hause, hungrig wie ein Wolf nach Steuerprüfung. Er will die Kühlschranktür öffnen.
Doch der Bildschirm zeigt in großen Lettern:

„Abendessen verweigert. Tageskalorien bereits überschritten. Bitte trinken Sie ein Glas Leitungswasser und gehen Sie schlafen.“

Jens bettelt, fleht, hämmert gegen die Tür. Ich schwöre, ich habe noch nie gesehen, wie ein erwachsener Mann versucht, seinen Kühlschrank mit Liebesgeständnissen zu erweichen.


Früher war Mutti der Boss in der Küche. Heute ist es ein Algorithmus mit Kühlschrankbeleuchtung.
Er kennt deine Makronährstoffe, deine Essenszeiten, deine Verdauungspausen – und irgendwann auch deine Beerdigung, denn da gibt’s garantiert keine Kohlenhydrate.

Und wenn Sie mich fragen: Ich traue keinem Kühlschrank, der klüger ist als ein Politiker. Ich trinke mein Bier warm – aber dafür frei.