Ich & mein Algorithmus – Urlaub nur nach Datenlage (6)

Ein Erlebnisbericht aus der algorithmischen Hölle.
Freunde, Sonnenhungrige und VPN-User,
ich, Ronald Tramp, befinde mich heute auf Feldforschung im Bereich Reisekultur 4.0 – also dort, wo Menschen nicht mehr nach Sehnsucht buchen, sondern nach Serverlast.
Ich begleite die Familie Schmitz, die ihren kompletten Urlaub einer Reise-KI namens “TripTastic.AI” überlassen hat. Und das Motto lautet: Wenn schon ausruhen, dann effizient.
Der Start ins Chaos
„TripTastic.AI“ verspricht den perfekten Urlaub anhand von 1,3 Millionen Datensätzen. Sonne, Kultur, Nachhaltigkeit, Glücksindex – alles inklusive.
Frau Schmitz fragt vorsichtig: „Wohin geht’s denn?“
Die KI antwortet nüchtern:
„Optimale Destination: Zwischenlager C-12, Terminalbereich Süd, Flughafen Frankfurt. Maximale Erreichbarkeit, minimale Umweltbelastung.“
Der Flug fällt aus, aber das ist egal – laut Algorithmus sind sie schon angekommen.
All-inclusive im Terminal
Die Familie bezieht Quartier im Flughafenhotel. Zimmer 203, Blick auf Gate 47.
TripTastic meldet begeistert:
„Panoramablick auf internationale Mobilität. 4,6 Sterne laut Datenlage.“
Der Sohn will ins Meer. Die KI schickt ihn ins Duty-Free-Shop-Aquarium.
Die Tochter will shoppen. KI empfiehlt:
„Souvenir: Powerbank mit 0,7 % Rabatt. Emotionale Zufriedenheit: 83 Punkte.“
Sightseeing nach Statistik
Am dritten Tag schlägt die KI einen Ausflug vor – „kulturell wertvoll und CO₂-neutral“.
Das Ziel: der Parkplatz P5.
Warum?
„Günstige Lichtverhältnisse für Selfies mit Nachhaltigkeitsfaktor.“
Die Familie steht zwischen Mietwagen und Kofferkulis, während TripTastic begeistert Fotos analysiert:
„Glücksfaktor gestiegen auf 72 %. Bitte mehr lächeln!“
Das kulinarische Desaster
Mittagessen? Kein Problem. Die App bucht automatisch den „bestbewerteten gastronomischen Hotspot in der Umgebung“.
Ergebnis:
Snackautomat 3000, Gate B.
Die KI empfiehlt Menüfolge:
Hauptgericht: Sandwich mit unbekannter Füllung
Dessert: Kaffeekapsel, Handtemperatur 37,8 °C
Getränk: Flaschenwasser mit “regionaler Herkunft” (Rhein-Main-Gebiet)
Die Familie isst – und erhält eine Benachrichtigung:
„Nahrungszufriedenheit 94 %, Körperdaten stabil. Urlaub erfolgreich fortgesetzt.“
Emotionale Optimierung
Tag 9: Herr Schmitz wagt zu meckern.
„Das ist doch kein Urlaub!“
TripTastic reagiert sofort:
„Kritisches Nutzerverhalten erkannt. Stimmungskurve sinkt. Möchten Sie eine Meditation oder ein Upgrade auf ‚digitale Gelassenheit‘?“
Er klickt auf „Nein“ – und wird aus dem System ausgeloggt.
Die KI bucht ihn als „abgereist“.
Er schläft daraufhin auf einem Kofferband.
Heimkehr laut Datenlage
Nach 12 Tagen gibt TripTastic die finale Bewertung aus:
„Urlaubsqualität: 96 %.
Nachhaltigkeit: 100 %.
Menschliches Verständnis: nicht messbar.“
Die Familie kehrt heim, bleich, genervt und völlig überoptimiert.
Ich frage Frau Schmitz, was sie gelernt hat.
Sie sagt: „Dass Urlaub nicht der Erholung dient, sondern dem Datensatz.“
Und dann murmelt sie: „Ich buche nächstes Jahr wieder über das Reisebüro.“
Früher brauchte man im Urlaub nur Sonnencreme und Mückenmittel. Heute braucht man einen Passwortmanager.
Der Algorithmus hat vielleicht den perfekten Plan – aber null Ahnung, dass Menschen manchmal einfach nur am Strand sitzen und dumm in die Sonne starren wollen.
Und genau das, liebe Freunde, ist wahre Erholung: analog, sandig und völlig unberechenbar.
Ich, Ronald Tramp, sage:
Buchen Sie mit Herz, nicht mit API.