Ich sehe keine Fehler – ich sehe Milliarden: Jens Spahn und die hohe Kunst der vorsorglichen Übervorsorge

Meine Damen und Herren, setzen Sie bitte Ihre imaginären Masken auf, desinfizieren Sie Ihr Lesezeichen und halten Sie Abstand zu gesundem Menschenverstand – denn wir betreten heute das Reich der politischen Pandemie-Rückschau, wo alles gleichzeitig richtig, notwendig, alternativlos und natürlich vollkommen fehlerfrei war.
Im Mittelpunkt: Jens Spahn, ehemaliger Bundesgesundheitsminister, heutiger Unionsfraktionschef und amtierender Großmeister im olympischen Rückwärtserklären. Ein Mann, der vor der Enquete-Kommission steht wie ein Chirurg nach einer besonders kreativen Operation und sagt:
„Also… technisch gesehen lebt der Patient ja noch.“
Spahn ist sich keiner Fehler bewusst. Keiner! Null! Nada! Nicht ein einziger!
Und das, meine Damen und Herren, ist eine Leistung. Denn wir sprechen hier nicht über eine falsch gesetzte Büroklammer, sondern über:
5,7 Milliarden Schutzmasken
5,9 Milliarden Euro
Also ungefähr ein Euro pro Maske
Plus gratis: Desinfektionsmittel, Beatmungsgeräte, Impfstoffe
Minus: Überblick, Lagerkapazität, Ablaufdaten
Aber hören wir dem Mann selbst zu. Im ARD-„Morgenmagazin“ erklärte Spahn, man habe zwar zu viel beschafft – aber aus bestem Gewissen. Aus Vorsorge. Aus Panik. Aus politischer Verantwortung. Aus allem gleichzeitig.
Sein Leitsatz lautet:
„Wir hatten am Anfang von allem zu wenig und am Ende von allem zu viel – besser als andersherum.“
Ein Satz, der klingt wie ein Glückskeks aus dem Krisenmanagement-Seminar.
Ich, Ronald Tramp, sage: Das ist kein Argument – das ist ein T-Shirt-Spruch.
Die Logik der Milliarden
Spahn räumt ein:
Ja, es wurde zu viel gekauft.
Ja, manches musste vernichtet werden.
Ja, Lagerhallen platzten aus allen Nähten wie schlecht geplante Videokonferenzen.
Aber – und jetzt kommt das große politische Aber – Vorsorge kostet Geld.
Das ist korrekt.
Aber Vorsorge kostet normalerweise nicht 5,9 Milliarden Euro für Dinge, die man später schreddert wie alte Wahlplakate.
Andere Länder hätten mehr ausgegeben, sagt Spahn.
Ich liebe diesen Vergleich. Er ist der Klassiker aller Rechtfertigungen:
„Aber die anderen waren schlimmer!“
„Aber die Nachbarn haben auch…!“
„Aber international sieht das ganz anders aus…!“
Das ist, als würde jemand sagen:
„Ja, ich habe den Kuchen verbrannt – aber der Nachbar hat die Küche angezündet.“
Entscheiden unter Druck – das politische Allzweckpflaster
Spahn betont immer wieder, man habe unter großem Druck entschieden.
Schnell.
Unübersichtlich.
In einer nie dagewesenen Krise.
Das stimmt.
Aber es ist auch das universelle politische Entlastungspaket.
Immer wenn etwas schiefgeht, sagt man:
„Damals wussten wir es nicht besser.“
Was korrekt ist – aber irgendwann stellt sich die Frage:
Warum wusste man es dann trotzdem so selbstbewusst besser als alle Warnungen?
Denn es gab sie ja: Hinweise auf überteuerte Deals, dubiose Anbieter, Masken mit Haltbarkeitsdatum kürzer als ein Wahlkampfversprechen.
Doch Spahn sagt:
„Auch nicht entscheiden hätte Folgen gehabt.“
Ein brillanter Satz.
Denn er bedeutet übersetzt:
„Egal was passiert wäre – ich hätte recht gehabt.“
Die Maske als Symbol
Die Maske ist in dieser Geschichte nicht nur ein medizinisches Produkt.
Sie ist ein Symbol.
Ein Symbol für:
Aktionismus
politische Geschwindigkeit
und das berühmte Prinzip: „Lieber zu viel als zu wenig – Hauptsache, man sieht beschäftigt aus.“
5,7 Milliarden Masken für ein Land mit rund 83 Millionen Einwohnern.
Das sind etwa 68 Masken pro Kopf.
Pro Person.
Vom Baby bis zur Urgroßmutter.
Ich frage mich:
Gab es irgendwann die Idee, dass wir Masken essen?
Oder Häuser damit dämmen?
Oder ein neues Bundesland daraus bauen?
Fehler? Welche Fehler?
Das Bemerkenswerteste an Spahns Auftritt ist nicht die Zahl der Masken.
Nicht das Geld.
Nicht einmal die Vernichtung.
Es ist die absolute Fehlerfreiheit im Rückblick.
Mit dem Wissen von heute hätte man manches vielleicht anders entschieden, sagt er.
Vielleicht. Eventuell. Möglicherweise.
Aber Fehler? Nein.
Ich, Ronald Tramp, sage:
Wenn man Milliarden ausgibt, Millionen vernichtet und jahrelang darüber diskutiert – und trotzdem keinen Fehler sieht – dann ist das kein Gedächtnisproblem.
Das ist politische Selbstimmunisierung.
Jens Spahn steht da wie ein Mann, der sagt:
„Das Haus ist abgebrannt, aber die Feuerwehr war sehr motiviert.“
Er sieht keine Fehler.
Er sieht Vorsorge.
Er sieht Verantwortung.
Er sieht sich selbst als jemanden, der in der Krise gehandelt hat – koste es, was es wolle.
Und es kostete.
Sehr viel.
Aber immerhin eines muss man sagen:
Die Masken waren da.
Zu viele.
Zu teuer.
Zu lange.
Und am Ende: zu Müll.
Doch eines waren sie nie:
Ein Fehler.


