Tanz auf dünnem Eis – Wenn TikTok den Berg ruft (und die Bergwacht zahlt)

Grafik: Die Expedition „Schnee trifft Selfie-Stick“

Ein exklusiver Erlebnisbericht von Ronald Tramp, dem Mann, der schon Gipfel gestürmt hat, bevor es WLAN gab.


Allgäuer Alpen – dort, wo Kühe schöner lächeln als Politiker und der Schnee klüger ist als mancher Tourist. Zwei junge Wanderer, nennen wir sie „Generation Filter“, haben sich in ein Abenteuer gestürzt, das vermutlich mit den Worten begann:
„Bro, das wird voll das geile Reel!“

Man sagt, sie wollten die Berge bezwingen – doch am Ende bezwang TikTok sie.
Denn was früher „Bergtour“ hieß, heißt heute „Content Creation mit Lawinenoption“.


Die Expedition „Schnee trifft Selfie-Stick“

Also gut: Samstagabend, 2000 Meter Höhe, ein paar leicht bekleidete Influencer in Sneakers und Softshelljacken aus der Kategorie „Mode – nicht Funktion“.
Die Mission: Der berühmte Jubiläumsweg zum Schreckensee – ein Name, der offenbar nicht Warnung, sondern Herausforderung war.

Der Plan: ein TikTok-Tanz auf dem Gipfel, Hashtag #MountainVibes, gefolgt von #NoLimits und vermutlich #SendHelp.

Doch was folgte, war weniger „inspirational travel content“ und mehr „National Geographic – Die Dummheit des Menschen“.


Vom Algorithmus in die Alpen gelockt

Wie sie auf die Idee kamen? Ganz einfach: Ein viraler Clip auf TikTok zeigte einen durchtrainierten Typen mit Sonnenbrille, Helikopterblick und epischer Musik im Hintergrund.
Und wie jede gute Plattform für Selbstüberschätzung dachte das Duo:
„Das schaffen wir auch – sieht ja easy aus!“

Dass der Clip von einem Bergführer mit 20 Jahren Erfahrung, zwei GPS-Geräten und Notausrüstung stammt – Nebensache.
Denn wenn TikTok eins lehrt, dann das: Realität ist nur ein schlechter Filter.

Also marschierten sie los – motiviert, unvorbereitet und mit ungefähr so viel Outdoor-Kompetenz wie ein Toaster beim Zelten.


Wenn Schnee zu Weiß und Angst zu Trend wird

Auf etwa 2000 Metern wurde aus „Bergpanorama“ plötzlich „Bergdrama“.
Das Gelände: schneebedeckt.
Die Ausrüstung: dürftig.
Die Erfahrung: irgendwo zwischen „Google Maps sagt, das ist der Weg“ und „Ich glaub, wir sind gleich viral“.

Sie kamen nicht mehr weiter – weder vor noch zurück.
Und während sie vermutlich überlegten, ob man das unter #FrozenChallenge posten könnte, wählten sie den Notruf.


Der große Auftritt der Bergwacht

Dann rauschte sie heran – die wahre Heldentruppe: die Bergwacht.
Mit Helikopter, Stirnlampen und der unerschütterlichen Geduld jener Menschen, die täglich mit den Auswüchsen der digitalen Selbstverwirklichung zu tun haben.

Die Retter flogen die beiden zurück ins Tal.
Ich stelle mir vor, wie sie dort standen – zitternd, staunend, aber immer noch mit dem Handy in der Hand.
Einer fragt vielleicht:
„Können Sie bitte nochmal über den Hang fliegen, ich brauch das für den Thumbnail?“


Die Moral von der Story (Spoiler: Es gibt keine)

Die Bergwacht zeigte sich wie immer professionell – aber nicht ohne Hinweis:
Ab 1600 Metern herrschen winterliche Bedingungen.
Nur erfahrene Alpinisten sollten sich dort aufhalten.
Oder, in verständlicher TikTok-Sprache:
„Mach keine Challenges, wenn du keine Ahnung hast.“

Und das Beste: Die Rettung kostet.
Ja, richtig gehört – das virale Video ist jetzt buchstäblich „gesponsert von der Kreditkarte der Eltern“.
Wer keine Versicherung hat, darf den Preis für die Likes selbst zahlen.


Der Gipfel der Dummheit ist kein Aussichtspunkt

Ich, Ronald Tramp, sage es so:
Früher sind wir in die Berge gegangen, um zu überleben – heute gehen sie hin, um zu performen.
Man muss sich das vorstellen: Jahrhunderte menschlicher Evolution, um endlich auf einen Gletscher zu steigen – und dann kommt jemand in Turnschuhen, weil er denkt, dass „Schneeschuhe“ nur ein Influencer-Witz sind.

Das ist nicht Abenteuerlust.
Das ist Alpenglühen powered by Naivität.

Ich sage: Wenn du deine Bergtour mit einem Algorithmus planst, sollte der Algorithmus auch zahlen, wenn du hängen bleibst.
Oder wie ich es nennen würde:
„Natural Selection – Season Finale.“


Vorschlag für die Zukunft

Die Bergwacht sollte einfach eine neue App starten:
„RescueTok“ – der Livestream der Rettung!“
Mit Filtern, Soundeffekten und Sponsoren von Versicherungen.
Dann kann man wenigstens Reichweite und Rückflug gleichzeitig bekommen.

Aber mal ehrlich: Vielleicht sollten wir nicht jeden Klick mit einem Helikopterflug belohnen.
Denn wenn’s nach TikTok geht, wandert bald jemand mit einem Smoothie auf den Mount Everest, nur um zu beweisen, dass „Mind over Matter“ funktioniert.

Und dann, meine Freunde, heißt es nicht mehr #NoLimits, sondern #NoSignal.