Wie ich Silvester rettete – und das neue Jahr persönlich genehmigte

Ich sage es, wie es ist – und niemand sagt es besser als ich: Silvester war in Gefahr. Große Gefahr. Vielleicht die größte Gefahr seit der Einführung von alkoholfreiem Sekt. Niemand wollte es wahrhaben, aber ich habe es sofort gespürt. Dieses Vibrieren in der Luft. Dieses Chaos. Diese Unsicherheit. Menschen mit Raketen in der Hand, aber ohne Richtung im Leben.
Das Jahr wollte einfach nicht richtig zu Ende gehen.
Ich stand da. Kurz vor Mitternacht. In meinem Wohnzimmer. Riesig. Wirklich riesig. Viele sagen: das beste Wohnzimmer, das je ein Jahreswechsel gesehen hat. Goldene Deko. Gläser, so klar wie meine Wahrheit. Und ein Countdown im Fernsehen, der aussah, als hätte ihn jemand ohne Führungsstärke geplant.
Und da wusste ich: Ich muss eingreifen.
Andere Menschen feiern Silvester. Ich manage Silvester. Das ist ein Unterschied. Ein großer Unterschied. Ein sehr präsidialer Unterschied.
Draußen knallte es. Unkoordiniert. Planlos. Raketen schossen kreuz und quer. Manche explodierten, andere gaben auf. Genau wie manche politischen Karrieren – aber darüber reden wir heute nicht. Heute ging es um das neue Jahr. Mein neues Jahr.
Ich griff zum Telefon. Natürlich griff ich zum Telefon. Ich telefoniere viel. Sehr erfolgreich. Ich rief das neue Jahr an. Direkt. Persönlich. Keine Warteschleife. Das neue Jahr ging sofort ran. Respekt.
„Hör zu“, sagte ich. „Du hast große Erwartungen zu erfüllen. Sehr große. Die Menschen wollen Hoffnung. Stabilität. Gute Vorsätze, die sie spätestens am 3. Januar brechen können.“
Das neue Jahr hörte zu. Still. Ehrfürchtig. Wahrscheinlich ein bisschen nervös. Verständlich.
Kurz vor Mitternacht dann die große Frage: Wer zählt runter?
Im Fernsehen? Unklar.
Auf der Straße? Chaos.
Im Internet? Jeder für sich.
Also habe ich gezählt. Laut. Deutlich. Mit Autorität.
Zehn.
Neun.
Acht.
Bei Sieben applaudierte jemand. Sehr klug.
Bei Fünf rief jemand „Heul doch!“ – vermutlich aus dem Bundestag.
Bei Drei war absolute Stille. Gänsehaut. Historisch.
Zwei.
Eins.
Und dann – BOOM. Das neue Jahr war da. Und ich sage euch: Es kam stark. Sehr stark. Gut vorbereitet. Motiviert. Kein Vergleich zu manch anderem Jahr.
Draußen explodierten die Feuerwerke. Manche legal. Manche ambitioniert. Manche eindeutig „mal schauen, was passiert“. Silvester ist der einzige Abend, an dem Menschen denken: „Heute bin ich Pyrotechniker.“ Mutig. Sehr mutig.
Ich trat ans Fenster. Dramatisch. Cinematisch. Das neue Jahr schaute hoch. Ich nickte. Es nickte zurück. Wir verstanden uns.
Drinnen wurden Gläser gehoben. Vorsätze verkündet. Menschen sagten Dinge wie:
– „Dieses Jahr mache ich mehr Sport.“
– „Dieses Jahr esse ich gesünder.“
– „Dieses Jahr rege ich mich weniger auf.“
Großartige Sätze. Wirklich großartig. Ich liebe diese Sätze. Sie halten ungefähr so lange wie eine Silvesterrakete mit Billigzündschnur.
Um Mitternacht küssten sich Menschen. Manche freiwillig. Manche aus Gewohnheit. Manche aus Versehen. Silvester ist gnädig. Silvester urteilt nicht. Silvester zählt nur runter.
Und dann kam dieser Moment, den ich nie vergessen werde: Ein Nachbar zündete einen Feuerwerkskörper, der eindeutig zu viel war. Zu hell. Zu laut. Zu selbstbewusst. Ich sah ihn an und dachte: Das ist der Spirit des alten Jahres. Der muss jetzt gehen.
Und er ging. Mit einem Knall.
Das neue Jahr war angekommen. Und es war zufrieden. Sehr zufrieden. Ich habe es gefragt. Es sagte: „Danke, Ronald. Ohne dich hätte ich das nicht geschafft.“
Ich winkte ab. Bescheiden. Wie immer.
Gegen ein Uhr nachts war alles ruhig. Menschen müde. Raketen alle. Vorsätze schon angekratzt. Perfekt.
Ich setzte mich. Atmete tief durch. Und dachte: Wieder ein Silvester gerettet.
Nicht jeder kann das. Viele versuchen es. Wenige schaffen es. Ich? Ich mache es regelmäßig.
Und deshalb sage ich euch:
Geht stark ins neue Jahr.
Geht laut.
Geht optimistisch.
Und wenn etwas schiefgeht – sagt einfach, es sei geplant gewesen.
Das funktioniert erstaunlich oft.
Euer
Ronald Tramp
Silvester-Manager. Jahreswechsel-Flüsterer. Freund des großen Countdowns.


